Zum Umgang mit Pflanzenschutzmitteln – speziell dem Wirkstoff Glyphosat – in der Stadt Bad Nenndorf

Laut Beschluss des Verwaltungsausschusses der Stadt Bad Nenndorf vom 19.06.2019 sollen alle Flächeneigentümer und -bewirtschafter dazu aufgefordert werden, auf die Anwendung des Unkrautvernichters Glyphosat zu verzichten. Diesem Beschluss soll mit der vorliegenden Pressemitteilung genüge getan werden. Sobald Pachtverträge städtischer Flächen verlängert oder neu abgeschlossen werden, wird die Aufforderung zum Verzicht auf Glyphosat zudem in den betreffenden Verträgen ergänzt. Der Bauhof der Stadt verwendet ohnehin kein Glyphosat.

Glyphosat ist ein Totalherbizid, das über die Aufnahme der grünen Pflanzenteile wirkt und die Pflanze zum Absterben bringt. Es wirkt auf alle Pflanzen und nicht selektiv. Entsprechend ist ein mit Glyphosat behandelter Acker an seinem komplett absterbenden Bewuchs und der damit einhergehenden Gelbfärbung zu erkennen. Der Einsatz von Glyphosat hat den Vorteil, das Bodenleben nicht durch starke mechanische Bearbeitung schädigen zu müssen. Zwischenfrüchte wie Senf, Lupinen oder Gras konnten sich zum Schutz auf den Äckern etablieren ohne im Anschluss tief pflügen zu müssen.

Dem Beschluss vorausgegangen war ein Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen zum vollständigen Verzicht des Herbizidwirkstoffs Glyphosat auf stadteigenen landwirtschaftlichen Flächen. Begründung: Glyphosat steht im Verdacht krebserregend zu sein und mitverantwortlich für den Verlust der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft. Dennoch hat sich die Stadt Bad Nenndorf nur für eine Aufforderung zum Verzicht, dafür aber an Alle Flächennutzer gerichtet, entschlossen.
Warum?

Glyphosat und Krebs
Die „totgespritzen“ Äcker machen vielen Menschen Angst. Zudem wurde Glyphosat von der Weltgesundheitsorganisation (genauer der Internationalen Agentur für Krebsforschung - IARC) als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ eingestuft.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ebenso wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass von Glyphosat keine Krebsgefahr ausgeht. Die Institutionen verfolgten dabei unterschiedliche Ansätze in Ihren Studien: Die einen (IARC) fragten, ob Glyphosat grundsätzlich Zellen so schädigen kann, dass Tumore entstehen können. Das scheint der Fall zu sein – bei extrem hohen Dosierungen. Die anderen (BfR, EFSA) fragten: Wie groß ist das tatsächliche Risiko, dass jemand durch Glyphosat Krebs bekommt? Hier kommt es natürlich darauf an, welchen Mengen Menschen tatsächlich ausgesetzt sind. Diese Mengen stellen wiederum keine realistische Gefahr dar. Die IARC bewertet z.B. auch heiße Getränke, rotes Fleisch und vieles mehr als „wahrscheinlich krebserregend“. Alkohol in Bier und Wein sogar als „sicher krebserregend“ – immer abhängig von der Dosis.

Dabei sind die Gefahren für Verbraucher das eine. Davon zu unterscheiden sind Risiken für Anwender: Landwirte oder Gärtner, die ohne ausreichende Schutzkleidung Glyphosat regelmäßig auf Felder oder in Gärten ausbringen, sind durch Kontakt mit größeren Mengen des Wirkstoffs ggfs. wirklich gefährdet. Hier ist die Studienlage noch unklar.

Glyphosat und Insektensterben
Glyphosat wird nicht gegen Insekten, sondern gegen Pflanzen eingesetzt. Glyphosat gilt dabei sogar als ein vergleichsweise insektenschonendes Herbizid.

Allerdings gibt es inzwischen Hinweise darauf, dass Glyphosat in hoher Dosierung die Darmflora von Honigbienen angreift und sie anfälliger für Krankheiten macht. Fraglich bleibt, was eine bessere Alternative bieten kann. Würde kein Glyphosat eingesetzt, würden die Landwirte das „Unkraut“ auf andere Arten entfernen, die häufig noch schädlicher für Insekten sind.
Klar ist, dass ein Totalherbizid wie Glyphosat auch Kräuter und Pflanzen vernichtet, von denen sich Insekten ernähren könnten. Der Einsatz von Glyphosat ist somit symptomatisch für die industrielle Landwirtschaft. Insekten finden insgesamt zu wenig Nahrung in unserer ausgeräumten Agrarlandschaft.
Im Ergebnis geht von Glyphosat also kaum eine höhere Gefahr aus, als von anderen Herbiziden. Mit der Aufforderung, auf Glyphosat zu verzichten, möchte die Stadt Bad Nenndorf aber dennoch Position beziehen: Mit Pflanzenschutzmitteln soll insgesamt sparsam, umsichtig und fachgerecht umgegangen werden, da sie der Umwelt schaden können!


Pflanzenschutzmittel – gleiches Recht für Alle
Das Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) regelt für alle Flächeneigentümer und –bewirtschafter den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (=Herbizide / Unkrautvernichter). Egal ob Landwirt, Forstarbeiter, Kommune oder Privatmann; es haben sich alle an die gleichen Regeln zu halten.
Zur Förderung der biologischen Vielfalt und zum Schutz der Gewässer ist es daher wichtig, dass sich alle Flächenbewirtschafter – und nicht nur die Landwirte! zumindest gesetzeskonform verhalten. Nach §12 Pflanzenschutzgesetz dürfen Herbizide nicht in der Nähe von oberirdischen Gewässern angewendet werden und auch nicht auf befestigten Freilandflächen. Hierzu zählen Zufahrten, Stellplätze, Hofflächen und Wege mit jeglicher Befestigung. Der Versiegelungsgrad spielt dabei keine Rolle. Auch Kieswege und Schotterflächen dürfen nicht mit Herbiziden behandelt werden. Lediglich auf landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Produktionsflächen und im gärtnerisch genutzten Bereich (auch öffentliche und private Grünflächen) dürfen Pflanzenschutzmittel, vorausgesetzt sie sind für diesen Bereich zugelassen, Anwendung finden. Zuwiderhandlungen werden mit Geldbußen bis zu 50.000€ geahndet.

Abschließend bittet die Stadt Bad Nenndorf alle Flächeneigentümer und –bewirtschafter darum, Lebensräume für Insekten und Kleinlebewesen auf Ihren Flächen zuzulassen. Blühende Vorgärten statt Schotterwüsten, Wiesen statt Rasen und Löwenzahnblüten in Pflasterfugen. Die Samtgemeinde Nenndorf selbst wird zeitnah über ein gezieltes extensives Pflegekonzept für ihre Wegeseitenränder im ländlichen Raum und die Aussaat von mehrjährigen Blühmischungen abstimmen. Auch sollen weitere Flächen der Samtgemeinde, die in eine extensive Pflege überführt werden können, ermittelt werden. Damit es auch die nächsten Sommer summt und brummt. Vielen Dank für Ihre Mithilfe!